„Frau Müller, warum gibt es eigentlich kein Lehrbuch von
Ihnen? Zum Beispiel einen Ratgeber für Erziehungsfragen und Beziehungen?"
„Weil, und ich wiederhole mich gerne, Partnerschaften,
Beziehungen, das Leben mit Kindern etwas derart Individuelles sind, so
vielfältig und gebunden an den einzelnen Menschen bzw. die jeweiligen Partner
in der ihnen ganz eigenen Art und Weise, so dass ein verallgemeinerter Ratgeber
schlichtweg eine Verarschung darstellen würde.“
„Es gibt da aber doch anscheinend einen riesigen Markt
dafür. Die Nachfrage ist hoch und Ratgeber zu diesen Themen, die ja auch die
Ihren sind, füllen ganze Buchhandlungsabteilungen."
„Eben, sagte ich doch. Ich will mich an dieser Art der
gleichmachenden Beratschlagung nicht beteiligen. Oberflächliche,
verallgemeinernde Antworten zu ebensolchen ausweichenden, ablenkenden Fragen.
Da arbeite ich doch lieber mit einem realen Gegenüber und nehme mir gemeinsam
die Zeit und den Raum, das ganz Spezielle und Einzigartige heraus zu arbeiten
und zu klären."
„Sie schreiben und veröffentlichen aber Bücher?"
„Ja, ich schreibe auch Bücher. Allerdings geht es in meinen
Büchern und Texten niemals um Verallgemeinerungen, sondern ich erzähle und
berichte von mir, von meinen sehr persönlichen Erfahrungen, meinen
Widersprüchen, meinen Gedanken, meinen Wegen. Ich teile mich, auch mit. Aber
ich verteile keine Ratschläge und ich habe kein Sendungsbewusstsein."
„Also bieten Ihre Bücher den Leserinnen und Lesern keine
Hilfsangebote an?"
„Hilfe? Das wäre aber sehr anmaßend. Die Leser meiner Texte
haben mich ja nicht um Hilfe gebeten. Und ich bin auch nicht als barmherzige
Schwester unterwegs. Ich schreibe, weil ich etwas zu sagen habe. Vor allem mir
selbst. Wenn meine Erfahrungen, meine Nachdenklichkeiten, meine Verstrickungen
und mein Ringen um dies und das und jenes in einigen Menschen das Gefühl wecken
"Ich bin nicht alleine. Ich bin nicht verrückt. Es gibt Worte für mein
Sein und ich kann und darf darüber sprechen." dann wäre dies schön, aber
das ist nicht der Motor meiner Schreiberei.“
„Warum schreiben Sie dann, Frau Müller?"
„Weil dies meine Art ist mich mit Welt auseinanderzusetzen.
An anderer Stelle sagte ich mal: Schreiben ist für mich die Klammer, die
Widersprüchliches zusammenführt, mit der ich mir Welt aneigne, Informationen in
Wissen wandle, Fantasien und Gedanken be"greifbarer" mache und andere
damit beglücke. Schreibende Kommunikation empfinde ich als Herausforderung, als
Basis, Ausgangspunkt: Worte wahr werden lassen und aus den
virtuellen/sprachlichen Bereichen in andere Realitäten herüberholen - Wörter
transformieren in Bilder, Farben, Töne, Gesten, Gerüche, Mimik, Berührungen,
Bewegungen ... und umgekehrt. Leben mit allen Sinnen - sinnliches Erleben
anderen Menschen zugänglich machen.“