Arbeits- und Diskussionsblog



„Jeder Mensch hat das Recht zwischen einer Vielfalt von gleichwertigen Lebens- und Beziehungsmodellen frei und eigenverantwortlich für sich wählen zu können.
Aus dieser Wahl dürfen weder ihm noch einem anderen Menschen gravierende psychische, soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder sonstige Vor- oder Nachteile entstehen."




Beziehungsfalle und Symptome (Auszug)

... Sind offene Gespräche über die Beziehung und über die Art und Weise der Kommunikation, also das, was ich als Metakommunikation bezeichne, in einer Beziehungsstruktur entweder verboten oder lösen Leiden, Aggressivität, Bockigkeit, Rückzug oder andere Spielarten des Ausweichens aus, so nenne ich dies altmodisch „Beziehungsfalle“.

Man redet aneinander vorbei, fühlt sich verquert permanent schuldig oder verteilt großzügig Schuld. Vorwürfe und Missverständnisse schwingen hin und her. Schweigen und Rückzug wechseln sich mit paradoxen Gesprächsversuchen, die regelmäßig in Streit und gegenseitigen Verletzungen enden, ab. Einerseits möchte man die leidvolle Kommunikation aufgeben, andererseits ist genau sie es, die die Beziehung immer noch irgendwie am Leben erhält. Man kreiselt um sich und um den anderen und verheddert sich immer mehr in Ausweglosigkeit.
Oft zeigen sich dann bei einem Partner nach einer Weile psychische oder psychosomatische Symptome des Unwohlseins. Es handelt sich dabei allereigentlich um die Symptome des maroden Beziehungssystems, das aber nicht mehr gemeinsam über Kommunikation angeschaut und hinterfragt werden kann oder darf. Weil sich die Brüchigkeit des Systems aber dennoch nicht verleugnen lässt, schafft es sich eben auf diese Art und Weise Gehör über den stellvertretenden Symptomträger. Dieser entlastet den Rest des Beziehungssystems, indem er durch die von ihm ausgelebten Symptome von dem eigentlichen Beziehungsdesaster ablenkt.

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Grundlegende Fragen zur Beziehung unterliegen zu diesem Zeitpunkt in der Regel schon einem Tabu: Es darf und kann nicht mehr darüber gesprochen werden. Eine Depression, eine Migräne, ein Magenleiden, ein Asthma aber dürfen sein und darüber kann dann auch kommuniziert werden, da dies das marode Beziehungsgefüge nicht in Frage stellt. Alle Beziehungsthemen werden einvernehmlich zur Seite gelegt, man kümmert sich, manchmal alleine, oft gemeinsam, aber immer hingebungsvoll um die Symptomatik des Symptomträgers. Es kann passieren, dass dies sowohl die kaputte Beziehung, als auch die körperlichen und psychischen Symptome für eine lange Weile stabilisiert, anstatt sie aufzubrechen.

Psychische und psychosomatische Symptome ermöglichen aber auch Distanz. Wer zum Beispiel depressiv wird, darf sich Rückzug, Unzuverlässigkeit und vieles mehr erlauben und Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme einfordern. Insofern sind Symptome auch Chancen, da sie Raum und Zeit für neue Wahrnehmungsmöglichkeiten und Handlungsmuster schaffen können. Die Betonung liegt dabei auf „können“, denn in der Regel braucht es dafür eine kompetente Unterstützung von außerhalb des Beziehungssystems. ...

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