Arbeits- und Diskussionsblog



„Jeder Mensch hat das Recht zwischen einer Vielfalt von gleichwertigen Lebens- und Beziehungsmodellen frei und eigenverantwortlich für sich wählen zu können.
Aus dieser Wahl dürfen weder ihm noch einem anderen Menschen gravierende psychische, soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder sonstige Vor- oder Nachteile entstehen."





Der gefallene Prinz
Du warst ein Wunschkind. Schon in der Nacht deiner Zeugung wurdest du geliebt und begrüßt. Deine Eltern hießen dich mit Freude willkommen, deine Mutter barg dich schützend und nährend an ihrem Busen und dein Vater trug dich summend durch schlaflose Nächte, während dein Bäuchlein knurrend den Sound dazu lieferte.
Die ersten tapsenden Schritte weg von ihnen, hin zu dir, tatest du voller Vertrauen und warfst dich glucksend vor Gewissheit bei deiner Rückkehr in ihre offenen Arme.
Obwohl so klein und winzig wusstest du bis in die Haarspitzen mit absoluter Gewissheit: Du warst behütet, gewollt, geliebt.
Dann starb dein Vater. Deine Mutter blieb mit den beiden großen Brüdern, mit dir und ihren von jetzt auf gleich zerstobenen Träumen alleine zurück.
Von einem Augenblick auf den anderen änderte sich alles. Die dich umschließenden Arme halbierten sich und wurden unachtsamer. Im Chor der vertrauten Stimmen fehlte eine, die Töne insgesamt wurden ungeduldiger und greller.
Deine Gewissheiten und dein Vertrauen zerschellten klirrend an der Trauer und den Hilflosigkeiten deiner Mutter. Da war auf einmal nur noch wenig Zeit und Raum für dich, Zuwendungen erstreckten sich auf Versorgung und notwendige Fürsorge. Deinem Lachen gingen die Antworten verloren, dein Weinen verhallte im unwilligen Schweigen.
Du verstandest weder das Wie, noch das Warum. Mit der Zeit fingst du an, bei dir selbst nach den Antworten zu suchen und fandest eine neue Schwester: Die Schuld. Sie wurde deine Lehrmeisterin. Ihr Unterricht umfasste nur eine Lektion: Brav sein.
Wie ein Schatten weilt sie bis heute an deiner Seite. Ist Vertraute und Verfolgerin. Glaubtest du ihr am Anfang noch, dass dein Bravsein ihre Existenz auflösen und sie zum Schweigen bringen würde, so weißt du heute ganz tief in dir drin, dass du sie damit doch nur weiter nährst und fütterst.
Du musst zum Drachen werden, mein Prinz und dich selbst mit dem Feuer der Unschuld befreien. Ein lautes „Nein“ wäre ein guter Anfang und schon Glut genug, diese Schwester von eigenen Gnaden zum Teufel zu jagen.

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