Der gefallene Prinz
Du warst ein Wunschkind. Schon in der Nacht deiner Zeugung wurdest
du geliebt und begrüßt. Deine Eltern hießen dich mit Freude willkommen, deine
Mutter barg dich schützend und nährend an ihrem Busen und dein Vater trug dich
summend durch schlaflose Nächte, während dein Bäuchlein knurrend den Sound dazu
lieferte.
Die ersten tapsenden Schritte weg von ihnen, hin zu dir,
tatest du voller Vertrauen und warfst dich glucksend vor Gewissheit bei deiner
Rückkehr in ihre offenen Arme.
Obwohl so klein und winzig wusstest du bis in die
Haarspitzen mit absoluter Gewissheit: Du warst behütet, gewollt, geliebt.
Dann starb dein Vater. Deine Mutter blieb mit den beiden
großen Brüdern, mit dir und ihren von jetzt auf gleich zerstobenen Träumen alleine
zurück.
Von einem Augenblick auf den anderen änderte sich alles. Die
dich umschließenden Arme halbierten sich und wurden unachtsamer. Im Chor der vertrauten
Stimmen fehlte eine, die Töne insgesamt wurden ungeduldiger und greller.
Deine Gewissheiten und dein Vertrauen zerschellten klirrend an
der Trauer und den Hilflosigkeiten deiner Mutter. Da war auf einmal nur noch wenig
Zeit und Raum für dich, Zuwendungen erstreckten sich auf Versorgung und
notwendige Fürsorge. Deinem Lachen gingen die Antworten verloren, dein Weinen
verhallte im unwilligen Schweigen.
Du verstandest weder das Wie, noch das Warum. Mit der Zeit
fingst du an, bei dir selbst nach den Antworten zu suchen und fandest eine neue
Schwester: Die Schuld. Sie wurde deine Lehrmeisterin. Ihr Unterricht umfasste
nur eine Lektion: Brav sein.
Wie ein Schatten weilt sie bis heute an deiner Seite. Ist Vertraute
und Verfolgerin. Glaubtest du ihr am Anfang noch, dass dein Bravsein ihre Existenz
auflösen und sie zum Schweigen bringen würde, so weißt du heute ganz tief in
dir drin, dass du sie damit doch nur weiter nährst und fütterst.
Du musst zum Drachen werden, mein Prinz und dich selbst mit dem
Feuer der Unschuld befreien. Ein lautes „Nein“ wäre ein guter Anfang und schon Glut
genug, diese Schwester von eigenen Gnaden zum Teufel zu jagen.
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